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Ingrid Deimel

*1939
Turnerin mit Leib und Seele

Seit 1948 turnt Ingrid Deimel im TV Geseke. Noch heute steht “Ikki” täglich als Übungsleiterin auf der Matte. Das vielfältige Engagement der gebürtigen Danzigerin für Turnen und Sport wurde 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt.

Kurzbiografie

  • Geboren 1939 in Danzig-Langfuhr (als Ingrid Beinert)
  • 1948 Eintritt in den TV Geseke
  • 1960-2020 Jugendwartin/ Frauenwartin des Ostwestfälischen Turngaus (OWTG)
  • 1987-2019 Vorstandsmitglied des OWTG
  • 1991-1997 Turnwartin im Westfälischen Turnerbund
  • 1993 und 2008 Sportlerin des Jahres der Stadt Geseke
  • 1994 Turnfestsiegerin in Hamburg
  • 1997-2017 Vorsitzende des Stadtsportverbandes Geseke
  • Seit 1999 Mitglied im WTB-Landesfrauenausschuss
  • 2000-2022 Vorstandsmitglied im KSB Soest
  • 2004 Bundesverdienstkreuz
  • 2012 NRW-Preisträgerin Mädchen und Frauen im Sport (Kategorie Lebenswerk)
  • 2013 Sportplakette des Landes NRW
  • 2015 Deutsche Seniorenmeisterin (bei den ‚ältesten Damen‘ Ü75)

Ingrid Deimel über …

… ihren Beitritt zum TV Geseke

„Ich habe mich immer gerne bewegt. Ich war Hansdampf in allen Gassen und ein bisschen flott. Und dann hieß es: Hier in Geseke gibt es einen Turnverein. Die ganzen Verwandten wussten auch Bescheid von dem Turnverein. Ja, und dann bin ich da sofort hin und habe mich angemeldet. Und wurde eigentlich von da an eine begeisterte Turnerin.

Dann wurde damals eine Horst-Wessel-Halle gebaut. Das war ein ganz einfaches Ding. Da war ich schon als Trainerin tätig. Und von da an war ich nur noch Turnerin. Ich habe zwar auch Tennis gespielt und alles Mögliche an Sport gemacht, aber Turnen war mein Wichtigstes – bis zum heutigen Tag.

In der Schule in Geseke gab es auch Sportunterricht. Aber wie gesagt: nur so ein bisschen Laufen. Ich weiß nicht, ob wir da schon an Geräte gegangen sind oder ob wir überhaupt welche hatten – das weiß ich nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich in meinem Zeugnis immer Sport „sehr gut“ hatte – von klein auf.

Im Verein habe ich sofort gemerkt, dass man gut aufgenommen wurde bei den Mädchen – mit denen ich heute noch zusammen bin, mit den Turnerinnen. Wir sind dann auch gemeinsam immer an die Geräte gegangen. Wir hatten tolle Vorturner.
Und deswegen muss ich das immer erzählen mit dieser Horst-Wessel-Halle: Da habe ich zum Beispiel als junges Mädchen schon eine Grätsche oben aus den Ringen gemacht – was ich heute gar nicht mehr verstehen kann. Ich habe mir damals natürlich auch mal einen Arm gebrochen und einen Arm verstaucht, aber ich war sofort Turnerin. Turnen war einfach alles für mich.
Die Halle ist später umgebaut worden, die gibt es heute nicht mehr. Da waren kleine Fensterchen, aber auch schon die hängenden Ringe. Und wir hatten auch Pferde – also die mit den Knöpfen. Solche Sachen waren schon da, auch alte Barren.“

… erste regionale Wettkämpfe

„Meine Freunde waren alle in dem Verein. Wir haben uns dort auch alle kennengelernt. Wir haben Geräteturnen gemacht und auch an Wettkämpfen teilgenommen. Bei jedem Turnfest waren wir dabei.
Wir waren damals auch Mädchen und Jungen gemischt. Wir haben gemeinsam trainiert. Das weiß ich sogar noch genau, weil da ja nette Burschen dabei waren – das weiß ich noch ganz genau – und natürlich auch Trainer. Eine Trainerin gab es nicht, die hatten wir nie. Beim Kinderturnen ja, aber sonst gar nicht.

Ich meine, ich wäre jeden Tag in der Turnhalle gewesen und hätte trainiert. Mittwochs und freitags war richtiges Turntraining mit Jungen und Mädchen. Als ich dann älter war – sagen wir mal ab 15 – hat man ja an den richtigen Wettkämpfen teilgenommen. Und dann? Na gut, ab 1959 waren die ersten Turnfeste, und da haben wir schon mitgeturnt, bei den Wettkämpfen.
Die ersten Wettkämpfe waren beim Gauturnfest. Wir hatten bei uns im Gau extra Turnfeste, und es gab Wettkämpfe im Bodenturnen, Barren und allem. Und dann gab es auch Sieger. Und wenn ich das so sagen darf: Ich war von klein auf schon immer eine Siegerin. Das hat mich wahrscheinlich auch angespornt, denke ich mal.
Diese Gauturnfeste fanden einmal im Jahr statt. Die waren zum Beispiel in Höxter, Beverungen, Dahlhausen, Elsen oder Bad Driburg – also in all den Ortschaften da. Das war schon sehr schön. Unsere Grenze ging bis Höxter, die andere vom Gau eher bis Ehringhausen.
Es waren ja immer mehrere Disziplinen und Jahrgänge dabei. Ich sage mal so: 100 bis 120 Kinder und Jugendliche waren schon auf einem Gauturnfest. Es war immer ein großes Fest.
Der Ablauf war wie folgt: Morgens war die Begrüßung, dann wurden wir in Gruppen eingeteilt. Vieles fand auch noch auf dem Rasenplatz statt – Bodenturnen und so. Dann haben wir unsere Übungen durchgeführt. Und so gegen frühen bis späten Nachmittag war die Siegerehrung.
Dann bekamen wir unsere Kränze oder Sträußchen, und dann sind wir wieder froh nach Hause gekommen. Ich habe auch noch einen Kranz. Ich habe auch noch Sträußchen. Ich habe eigentlich noch meine ganzen Plaketten.
1959 war mein erstes Deutsches Turnfest – und seitdem habe ich keins ausgelassen.“

… den Erwerb des Scheins zur Übungsleiterin

„Ich war 15, als unsere Trainerin Lola, die mit uns geturnt hat, aufhörte – oder nicht mehr konnte. Ab da war ich dann die Vorturnerin. Ich habe ihren Posten übernommen, und sie hat dann ein bisschen am Rand gestanden und noch geholfen. So zwei Jahre habe ich das gemacht.
Mit 17 Jahren habe ich dann meinen Übungsleiterschein gemacht. Und ab diesem Tag habe ich angefangen, als Übungsleiterin zu arbeiten. Ich war dann Leiterin der Gruppe und habe nach und nach mehrere Gruppen aufgefangen oder auch ganz neu ins Leben gerufen.

Wir mussten damals, meine ich, schon 120 Stunden für den Schein absolvieren. Das ging über ein halbes Jahr. Es fing so im September oder Oktober an, und im März bekam man dann den Schein. Fast jedes Wochenende war man unterwegs, manchmal nur samstags. Übernachten konnte man, glaube ich, damals kaum irgendwo. Einmal waren wir in Driburg, da gab es noch ein Jugendheim, da hatten wir dann auch unsere Lehrstunden zwischendurch.
Und wie gesagt, ein halbes Jahr dauerte das – und dann hatte man den Übungsleiterschein. Ab da durfte ich, auf gut Deutsch gesagt, das machen, was ich wollte. Ich habe dann auch die ganzen Gruppen von unserem Leistungstrainer übernommen, der uns gefördert hatte. Zuerst hat er uns noch trainiert, und als er dann leider sehr früh verstorben ist, habe ich das übernommen. So bin ich da reingewachsen.
Auf jeden Fall habe ich nebenbei immer weiter aktiv geturnt.

Wir in der Gruppe waren immer ungefähr gleich alt. Ich war zwar die Älteste, aber die anderen waren nur zwei oder drei Jahre jünger. Eine war sieben Jahre jünger, die war schon deutlich jünger. Aber später kamen natürlich auch die Jüngeren nach, das ist klar.
Ich war dann schon die Leiterin, habe aber trotzdem selbst weiter geturnt – und auch vorgeturnt.“

… die Olympischen Spiele 1960 und 1972

„Nach dem Turnfest in München kamen ja 1960 die Olympischen Spiele – und ich durfte als Teilnehmerin am Deutschen Olympischen Jugendlager mitfahren, weil ich die Ausscheidung gewonnen hatte. Dafür musste ich nach Duisburg. Ich musste turnen, Leichtathletik machen und schwimmen. Aus all dem wurde dann ermittelt, ob ich die Leistung erbringe, um dabei sein zu dürfen. Und irgendwann kam dann die Bestätigung: Ich darf mitfahren!
Besonders erinnere ich mich daran, dass wir in dem Jahr – das war 1960 – zu zweit aus Nordrhein-Westfalen ausgewählt wurden: Meine Sportkameradin Ingrid Mickler-Becker und ich. Wir hatten gemeinsam gewonnen und sollten beide zum Deutschen Jugendlager fahren. Doch Ingrid bekam plötzlich eine Zusage für Rom – wegen ihres Hochsprungs. Also war ich am Ende die einzige Teilnehmerin aus NRW im Jugendlager, während Ingrid – die spätere Olympiasiegerin – bei den Spielen in Rom dabei war.

Das Jugendlager war einfach wunderbar. Ich weiß noch genau, dass meine Gruppenleiterin Gisela Bentz hieß. Ob sie heute noch lebt, weiß ich nicht, aber ich denke oft an sie zurück. Wir haben uns alle sehr gut verstanden: So nette Jungen und Mädchen, das war einfach schön. Und wir durften bei den Olympischen Spielen zuschauen! Ich habe auch Ingrid Mickler-Becker dort besucht, wir haben uns also in Rom wiedergesehen. Wir haben sehr viel unternommen, hatten volles Programm, aber auch viele schöne Momente. Ich kann wirklich sagen: Das war ein Erlebnis fürs Leben.
Ich meine, wir waren etwa 15 oder 16 Tage dort. Ich habe heute noch den Koffer, den wir damals bekommen haben, und auch den Sitz, den wir geschenkt bekamen. Die Tasche hatte ich gestern noch in der Hand! Und das Buch, das wir später als Erinnerung bekamen, hieß „Safari“. Das habe ich natürlich auch noch. Es war einfach ein ganz besonderes Erlebnis.

1972 war ich dann noch einmal bei Olympischen Spielen – diesmal als Betreuerin. Der Westfälische Turnerbund hatte mich berufen, ich war damals schon Landeswartin, aktiv im Verband, und musste für die Teilnahme Unterlagen ausfüllen. Ich habe dann den Gau Ostwestfalen betreut. Wir standen unter anderem Spalier, als das Königspaar kam. Wir sollten die Gäste – Sportlerinnen, Sportler, aber auch Politiker und Prominente – betreuen. Das gehörte damals dazu.
Vom Attentat haben wir erst sehr spät erfahren. Wir waren in einer Art Sporthaus untergebracht, keine Herberge, aber einfach. Beim Frühstück – wir saßen alle zusammen – kam dann irgendwann die Nachricht. Meine erste Sorge galt sofort meiner Turnkameradin Ingrid: Was war mit ihr? Wo war sie? Geht es ihr gut? Es hat lange gedauert, bis wir mehr wussten. Dann war überall Stille. Man wartete einfach ab. Und irgendwann hieß es dann: Die Spiele gehen weiter. Wir waren alle geschockt. Wir konnten das erst gar nicht begreifen – wie konnte das sein, so etwas Schreckliches passiert, und trotzdem geht alles weiter? Aber nach und nach konnte man es auch ein Stück weit verstehen: Die Sportlerinnen und Sportler hatten so viel gegeben, sie wollten zeigen, was sie konnten.

Ich denke, wir alle sind mit diesen Gedanken, mit all diesen Erinnerungen, wieder nach Hause gefahren: Wir haben viel davon erzählt – und irgendwann ging das Leben weiter.“

… Deutsche Seniorenmeisterschaften

„2015 bin ich das letzte Mal Deutsche Meisterin geworden.
Ich war vorher auch schon einmal Meisterin. Ich habe mir eigentlich alle meine Ergebnisse notiert – und letztes Jahr bin ich leider nur noch Vierte geworden bei den Deutschen Meisterschaften. Aber wie gesagt, ich habe noch mitgemacht.
Es kam aber auch schon mal das Thema auf, dass man vielleicht ein bisschen zu ehrgeizig war. Bei uns in Geseke heißt es dann manchmal: ‚Habt ihr nicht schon genug gemacht mit den Turnerinnen?‘ oder: ‚Warum steht ihr eigentlich jede Woche in der Zeitung?‘ – das wird mir manchmal sogar so gesagt. Aber wir haben das nie so gesehen. Wir haben eher den Breitensport in den Vordergrund gestellt. Und ich finde, der Breitensport ist im Moment sogar viel wichtiger als der Leistungssport.

Um Deutsche Seniorenmeisterin zu werden, muss man sich übrigens bei den Westfalenmeisterschaften qualifizieren. Wenn man sich da nicht qualifiziert, darf man nicht bei den Deutschen Meisterschaften starten. Ich muss vielleicht aber auch ein kleines „aber“ dazu sagen: In unseren Wettkämpfen turnen heute nicht mehr so viele mit. Wir waren oft nur zu zweit, zu dritt oder zu viert bei den Westfalenmeisterschaften. Da hatte man natürlich leichtes Spiel, entweder Erste oder Zweite zu werden – so ehrlich bin ich.
Aber wir haben immer noch geturnt. Und damals, 2015, als ich Deutsche Meisterin wurde, da waren in meiner Gruppe immerhin noch zehn Turnerinnen. Ein paar waren schon noch da.“

Wie die Aerobic-Welle nach Westfalen schwappte

“Nichts in der Breite, aber in der Höhe”

Funktionärslaufbahn “Unter Männern”


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: